Minister Czarnek erklärte die baldige Wiedereinführung von 3 Std. Deutsch als Minderheitensprache, die er allerdings an bestimmte Bedingungen knüpft
Am 22. Januar 2023, gleich zu Anfang des Wahljahres, kam es zu einem Treffen zwischen dem Bildungsminister Przemysław Czarnek und Vertretern der Deutschen Minderheit beim Verband der deutschen Gesellschaften in Polen (VdG), um über die aktuelle Situation und die Diskriminierung der deutschen Minderheit in Polen durch die Stundenkürzungen zu sprechen.
Bei einem Interview vor Ort mit dem Chefredakteur Rudolf Urban vom Wochenblatt beteuerte Czarnek, dass er „seit langem [] die Kontakte zu den Vertretern der deutschen Minderheit“ schätze, allerdings war dies sein erster direkter Besuch bei der deutschen Minderheit seitdem die Stundenkürzungen erstmals ins Gespräch vor über einem Jahr kamen. Der Bildungsminister fiel zudem in der Vergangenheit im Gegenteil durchweg durch negative Aussagen gegenüber der deutschen Minderheit in Polen auf, wie beispielsweise, dass die deutsche Minderheit im Schulsystem eine Gefahr darstelle (Nachzulesen hier). Im November 2022 wurden außerdem weitere Stunden- und Budgetkürzungen für das nächste Jahr angekündigt (Nachzulesen hier).
Durch seine stetigen Versuche das Bildungssystem zum Nachteil der deutschen Minderheit und des Deutsch-als-Minderheitensprache-Unterrichts zu verändern, ist die Stimmung bei den Organisationen der Deutschen Minderheit und Bildungseinrichtungen mit Deutsch als Minderheitensprache angespannt und mit Unsicherheit erfüllt, wie sich die Situation weiterentwickeln wird, die momentan durch die bereits schon getätigten politischen Entscheidungen für Vereinsschulen und Deutschlehrkräfte schwierig geworden ist. Glücklicherweise scheiterte im Dezember 2022 auch sein zweiter Versuch, die Verordnung Lex Czarnek 2.0 durchzubringen, am Veto des Präsidenten Andrzej Duda. Durch diese Verordnung wäre es u.a. möglich gewesen, dass Sprachprojekte wie die Deutsch AG der deutschen Minderheit an Schulen durch die Schulbehörden hätten verboten werden können. Das Projekt Deutsch AG wurde überhaupt erst initiiert, um den Wegfall des Deutsch-als-Minderheitensprache-Unterrichts in der 7. und 8. Klasse aufzufangen, da durch die Neuinterpretation des unverändert gebliebenen Gesetzes ab dem Schuljahr 2017/2018 kein Deutsch-als-Minderheitensprache- zeitgleich mit dem Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht besucht werden darf und deshalb die meisten Schülerinnen und Schüler seitdem ganz auf den Fremdsprachenunterricht in der 7. und 8. Klasse aufgrund der Regelungen zur Achtklässlerprüfungen wechseln.
Czarnek kündigte im Interview an, „dass das Finanzierungssystem so geändert werden muss, dass es für alle nationalen und ethnischen Minderheiten und nicht nur für die deutsche Minderheit effizienter ist. Damit die sehr umfangreichen Mittel für den Unterricht der Minderheitensprache als Muttersprache effektiver und damit wirtschaftlicher eingesetzt werden.“ Zwar stritt er ab, dass es dabei um die Überprüfung der Nationalität ginge, machte aber klar, dass zukünftig der muttersprachliche Unterricht für alle Minderheiten ausschließlich für Personen vorgesehen sein solle, die die jeweilige Minderheitensprache als Mutter- und nicht als Fremdsprache sprächen. Dies bedeutet jedoch, dass eine Überprüfung dieses Umstands, ob eine Sprache nun für eine Person eine Mutter- oder Fremdsprache darstellt, in irgendeiner Form stattfinden müsste. Und dies soll eine Arbeitsgruppe im Bildungsministerium zusammen mit einem gemeinsamen Ausschuss der polnischen Regierung und der nationalen und ethnischen Minderheiten erarbeiten. Dies ist eine Bedingung Czarneks zur Rückkehr zu den drei Unterrichtsstunden.
Die aktuelle rechtliche Lage sieht keinen Nachweis bzw. Beweis vor, ob man zur deutschen Minderheit gehört oder ob Deutsch die Muttersprache ist, um am Minderheitensprachunterricht teilzunehmen. Es genügt ein Antrag der Eltern, um ihre Kinder anzumelden. Die einzige Bedingung ist, dass die Kinder polnische Staatsbürger sein müssen. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie hier.
Des Weiteren kann man gespannt sein, wie Mutter- und Fremdsprache auch vor dem Hintergrund von Zweisprachigkeit sowie Erst- und Zweitsprache von der Arbeitsgruppe und dem Ausschuss definiert und v.a. überprüft werden sollen.
Czarnek erwähnte in diesem Zusammenhang, dass ein politisches Ziel die Anerkennung und Behandlung der in Deutschland lebenden Polen als polnische Minderheit in Deutschland sei, das weiterverfolgt werden müsse, betonte am Anfang des Gesprächs ebenso: „Beide Themenfelder [Stundenkürzungen des Deutsch-als-Minderheitensprach-Unterrichts und Polnischunterricht in Deutschland] sind zwar nicht voneinander abhängig, aber es gibt gewisse Verbindungen“, und äußerte seinen Wunsch eines Gefallens: „Dies [Polnischunterricht in Deutschland und Anerkennung der Polen in Deutschland als nationale Minderheit] ist keine Angelegenheit, die in die Zuständigkeit der deutschen Minderheit in Polen fällt, aber sie kann von ihr unterstützt werden, wenn auch nur im Rahmen eines polnisch-deutschen Runden Tisches, auf den wir im Rahmen der gegenseitigen Gespräche über die Lage der Deutschen in Polen und der Polen in Deutschland zurückkommen können.“
Im weiteren Verlauf erläuterte er, dass die Stundenkürzungen notwendig gewesen seien, denn „[m]anchmal muss man Maßnahmen ergreifen, die weder allgemein gut, populär noch bequem sind“, um die Änderung des Finanzierungssystems zu realisieren, und ging im nächsten Atemzug wieder auf das Thema Polnischunterricht in Deutschland ein: „Glauben Sie, dass die Bundesrepublik Deutschland jemals so etwas wie einen Fonds zur Popularisierung der polnischen Sprache einrichten würde? Nein, sie würden sich dieses Themas überhaupt nicht annehmen. Es gibt eine Reihe von Beispielen, nicht nur auf der Ebene von Minderheiten, die zeigen, dass man manchmal auf die Pauke hauen muss, um die Dinge anschließend gut regeln zu können“, bestritt dann allerdings auf Nachfrage, dass ihm von Beginn an bewusst war, dass die Stundenkürzungen ein schlechtes Mittel gewesen waren, um ein anderes Ziel zu erreichen, nur um sich dann wieder selbst zu widersprechen: „Nein, ich wollte eine Änderung des Systems erreichen, das ineffizient ist. Die immer wieder erhöhten Investitionen in den Unterricht von Deutsch als Minderheitensprache haben nicht zu einer größeren Zufriedenheit der Minderheit geführt. Das liegt unter anderem an der ineffizienten Verteilung dieser Mittel für den Unterricht in Deutsch als Muttersprache. Und ich wollte erreichen, dass die Bundesrepublik Deutschland in Sachen Polnischunterricht als Muttersprache für Polen in Deutschland wirklich etwas tut. Und es ist mir gelungen, dies zu initiieren. Aber das ist nur der Anfang.“
Das ganze Interview ist hier nachzulesen.
Kommentar von Beate Tur
Bildquelle: Rudolf Urban, https://wochenblatt.pl/jetzt-geht-es-nicht-mehr-um-symmetrie/